Zwischenbilanz „CSI Abwasser“ im Kampf gegen Corona
Abwasserüberwachung liefert wertvolle Informationen für Pandemie-Management - Weiterer Ausbau geplant
Als
eine der ersten Großstädte Europas startete Wien bereits unmittelbar
nach Beginn der Corona-Pandemie mit der Untersuchung der Abwässer, um
daraus Erkenntnisse über die Verbreitung des damals neuartigen Virus zu
gewinnen. Am 10. April 2020 konnte erstmals die nicht mehr infektiöse
Viren-RNA des SARS-CoV-2-Virus im Zulauf der Wiener Kläranlage
festgestellt werden.
Rund zwei Jahre nach Start des Projekts
"CSI Abwasser" ziehen Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky,
Gesundheitsstadtrat Peter Hacker und NEOS Gesundheitssprecher Stefan
Gara eine Zwischenbilanz. "Das unter Federführung der von der ebswien
betriebenen Wiener Kläranlage und der TU Wien stehende Projekt 'CSI
Abwasser' läuft äußerst erfolgreich. Die Abwasseranalysen liefern in der
aktuellen Corona-Pandemie wertvolle Erkenntnisse für die
Gesundheitsbehörden. Im Abwasser sind Veränderungen im Pandemiegeschehen
früher zu erkennen, als sie sich in den Inzidenzen niederschlagen. Ein
Vorsprung, der in die Entscheidungen des Krisenmanagements einfließt",
sagt Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky.
"Unabhängig von
Covid-Testungen kann über die Abwasseranalyse ein sehr gutes und vor
allem umfassendes Bild über das Infektionsgeschehen ermittelt werden.
Diese Analysen zeigen, dass in Wien tatsächlich ein geringeres
Infektionsgeschehen als in den anderen Bundesländern der Fall war. Tests
geben lediglich Auskunft über den Infektionsstatus der Getesteten; die
Abwasserüberwachung hingegen gibt Auskunft über das Ausmaß der
Infektionen in der gesamten Bevölkerung. Das ist dann die Grundlage, auf
der wir unsere Entscheidungen für den sicheren Weg durch die Pandemie
treffen", so Gesundheitsstadtrat Peter Hacker.
"Mit der
abwasserbasierten Epidemiologie hat Wien gemeinsam mit der Wissenschaft
ein fortschrittliches Frühwarnsystem etabliert, das die zeitliche
Entwicklung von Krankheitserregern über das Abwasser identifizieren
kann. Dieses Frühwarnsystem ist ein wichtiger Baustein für das
Krisenmanagement in der Corona-Pandemie. Mit der Weiterentwicklung des
Frühwarnsystems für andere Krankheitserreger können frühzeitig Maßnahmen
zum Schutz der Wiener Bevölkerung gesetzt werden" sagt Stefan Gara,
NEOS Gesundheits- und Wissenschaftssprecher.
In den ersten beiden
Jahren des Projekts wurden insgesamt 1.318 Abwasserproben aus Wien auf
SARS-CoV-2 untersucht. Der wissenschaftliche Leiter von "CSI Abwasser",
Norbert Kreuzinger vom Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement
(IWR) der Technischen Universität (TU) Wien, betont die Bedeutung des
Projekts: "Die EU-Kommission empfiehlt mittlerweile den Mitgliedsstaaten
die Abwasserüberwachung als wichtiges Instrument im Kampf gegen die
Corona-Pandemien, aber auch gegen künftige Herausforderungen durch
bedenkliche Krankheitserreger. Die Stadt Wien stand diesem Ansatz schon
frühzeitig sehr aufgeschlossen gegenüber. Dank der großen Unterstützung
städtischer Institutionen wie der Wiener Kläranlage und Wien Kanal sowie
der Vernetzung mit anderen universitären und außeruniversitären
Forschungseinrichtungen liegt das Projekt 'CSI Abwasser' auch
international im absoluten Spitzenfeld und findet dort Beachtung."
Meilensteine
Folgende Meilensteine hat das Projekt "CSI Abwasser" erreicht:
- 10. April 2020: erster Nachweis des SARS-CoV-2-Virus im Zulauf der Wiener Kläranlage am 10. April 2020
- Entwicklung einer stabilen Methode zur Analyse des Wiener Abwassers auf das SARS-CoV-2-Virus, die durchgehend belastbare Ergebnisse liefert
- Aufbau eines Workflows, mit dem im 2.500 Kilometer langen Wiener Kanalnetz Teileinzugsgebiete bis hin zu einzelnen Objekten einem schnellen und verlässlichen Monitoring unterzogen werden können;
- Aufbau einer intensiven Kooperation mit universitären (TU Wien, MedUni Wien) und außeruniversitären (CeMM der ÖAW) Institutionen zur weitergehenden Analyse der Abwasserproben (Mutationsanalyse, Sequenzierung);
- Kontrolle von "Points of Interest" (z.B. Senior*innen-Wohnheime, Schulen, Spitäler) im Auftrag der Gesundheitsbehörden, wodurch Veränderungen im Pandemie-Geschehen, etwa der Erfolg gesetzter Maßnahmen (z.B. Restriktion von Besuchen, Impfungen), rasch überprüft werden können;
- Aufbau einer institutionalisierten Kommunikation mit Stadt Wien - Gesundheitsdienst (MA 15) und dem Wiener Gesundheitsverbund, womit sichergestellt ist, dass die Ergebnisse von "CSI Abwasser" dem Krisenstab der Stadt Wien als Beitrag zur Entscheidungsfindung zeitgerecht zur Verfügung stehen
- Entwicklung eines Visualisierungs-Tools zur übersichtlichen Darstellung der Messergebnisse aus verschiedenen Kanal-Einzugsgebieten
- Aufbau eines "Abwasserarchivs" durch die Lagerung von Proben bei minus 80 °C, wodurch künftige wissenschaftliche und epidemiologische Fragestellungen auch für die Vergangenheit beantwortet werden können
-
Einbindung des Projekts "CSI Abwasser" in nationale und EU-weite Projekte, die ebenfalls das Ziele der Entwicklung einer Abwasserepidemiologie verfolgen;
Weiterer Ausbau der Abwasserüberwachung geplantAufgrund der aktuellen Corona-Pandemie stand das SARS-CoV-2-Virus bei der Abwasserüberwachung bisher im Zentrum. "CSI-Abwasser"-Leiter Kreuzinger: "Parallel dazu haben wir im Auftrag der Gesundheitsbehörden das Abwasser aber auch laufend auf das Vorkommen von Influenza-Viren untersucht, da eine Grippe-Epidemie die Krankenhäuser vor eine zusätzliche enorme Herausforderung stellen würde." Dieser Ansatz soll künftig noch weiter ausgebaut werden, so der TU-Wissenschaftler: "Die Vogelgrippe ist derzeit in einigen Ländern wieder Thema, ich denke aber auch an die Ausweitung der Abwasserüberwachung auf Noro- oder Enteroviren. In Abstimmung mit den Wiener Gesundheitsbehörden und unseren wissenschaftlichen Partnern wollen wir 'CSI Abwasser' in diese Richtung massiv weiterentwickeln."
Die Weiterentwicklung eines "Frühwarnsystems für Pandemien durch Abwasseranalysen" ist Teil des Regierungsabkommens der Wiener Fortschrittskoalition. Stadtrat Czernohorszky: "Die Stadt Wien wird die Abwasserüberwachung auch weiterhin aktiv unterstützen, sowohl ganz praktisch durch die Probenahmen in Kläranlage und Kanal, als auch finanziell. Denn 'CSI Abwasser' trägt zum Schutz der Gesundheit aller Wienerinnen und Wiener bei."