Bürgermeister Ludwig gratulierte Zeitzeugen Ernst Fettner zu seinem 100. Geburtstag
Der Stadtchef empfing den Jubilar im Wiener Rathaus. Noch heute ist Fettner, der auch Träger des Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien ist, als aktiver Zeitzeuge tätig
"Ernst Fettner hat eine sehr schmerzhafte, aber zum Teil auch sehr erfreuliche Biographie. Die schmerzhafte liegt in unserer furchtbaren Geschichte, dass das Nazi-Regime seine Familie verfolgt hat. Er hat seinen Vater und zwei seiner Geschwister verloren, musste mit 17 Jahren nach England flüchten und ist schließlich nach Schottland gekommen. Von hier aus wollte er mitwirken, seine frühere Heimat zu befreien", so Bürgermeister Michael Ludwig, der diese Woche den Jubilar im Rathaus willkommen geheißen hat und ihm persönlich zu seinem runden Geburtstag gratulierte sowie auch die Ehrengaben der Stadt Wien überreichte.
"Er ist dann mit den britischen Truppen über die Normandie wieder zurück nach Österreich gekommen und hat mitgeholfen, Österreich vom Nazi-Regime zu befreien. Das ist besonders bemerkenswert, denn er hat damit auch mitgeholfen, dass es in unserem Land wieder eine Demokratie gibt, dass wir wieder frei und ohne einer furchtbaren Diktatur wie dem NS-Regime leben können", so Bürgermeister Ludwig. "Und man kann nicht oft genug daran erinnern, dass das keine Selbstverständlichkeit ist, sondern mutige und tüchtige Menschen erfordert hat, die sich in eine Gefahrensituation begeben haben und gegen dieses unmenschliche Regime aufgetreten sind. Die Biographie von Ernst Fettner erfüllt mich mit großem Respekt", so Ludwig.
"1939 in der Emigration in England habe ich mich der freien österreichischen Bewegung ,Young Austria' angeschlossen", erzählt Ernst Fettner heute. Mit der British Army kam er zu Kriegsende wieder zurück nach Österreich. Für seinen Einsatz erhielt er drei Medaillen. "Unser Ziel war es, es besser zu machen", begründet Fettner, warum er in seine "alte Heimat" zurückgekehrt ist. "Es war unser Ziel, ein anderes Österreich aufzubauen. Nie wieder Faschismus." Dafür tritt Fettner auch heute noch mit Entschlossenheit ein - als aktiver Zeitzeuge, der jungen Menschen von seinen Erlebnissen und schrecklichen Erfahrungen in der Zeit des NS-Regimes berichtet.
Ernst Fettner wurde am 29. Mai 1921 in Wien als zweites Kind von Sigmund (Isak Schaje) Fettner und Rosa Fettner geboren. Seine Mutter verstarb 1926 an einer Grippeepidemie, sein Vater heiratete kurze Zeit später Rosa Katz, mit der er drei weitere Kinder hatte. Seine ältere Schwester Waly (Valerie) emigrierte als erstes Familienmitglied mit Hilfe einer zionistischen Bewegung nach Palästina. Lily, eine Halbschwester, entkam den Nazis mit einem Kindertransport und lebt heute in Kanada. Sein Vater sowie zwei seiner Halbgeschwister wurden im KZ Maly Trostinec ermordet.
Ernst Fettner wurde verhaftet, obwohl noch ein halbes Kind, des Widerstands beschuldigt und sechs Wochen lang festgehalten. Im letzten Moment konnte er kurz nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland mit 17 Jahren Österreich verlassen und nach England flüchten.
Ohne Sprachkenntnisse oder Ausbildung wurde er nach Nordschottland verschickt. Er arbeitet auf einer Farm, später auch als Schweißer. Mittlerweile eignete er sich Sprachkenntnisse an und knüpfte Verbindungen zum Free Austrian Movement und Young Austria in Glasgow. Er wurde politisiert, verwarf die Idee nach Israel zu gehen und widmete sich stattdessen dem Ziel an der Befreiung Österreichs von der Nazidiktatur mitzuwirken.
Ernst Fettner schloss sich der englischen Armee an, kämpfte bei der Invasion der Alliierten in der Normandie und kam mit der British Army wieder zurück nach Österreich. Für seinen Einsatz erhielt er drei Medaillen der British Army.
Nach Ende des Krieges arbeitet Ernst Fettner als Journalist. Er engagierte sich in der Journalistengewerkschaft und berichtete 1968 aus Prag über den "Prager Frühling" und den Einmarsch der Sowjetunion.
1980 erhielt er das Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs. 2007 erhielt Fettner das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien.
Im fortgeschrittenen Alter stellte er sich als Zeitzeuge zur Verfügung. Immer wieder faszinierte er Schulklassen durch seine anschauliche Beschreibung der Nazigräuel und wie es dazu kam. Er versuchte immer ähnliche Entwicklungen in vder jetzigen Zeit herauszuarbeiten, der Jugend zu erklären, was es heißt flüchten zu müssen und was Rassismus bedeutet.
Ernst Fettner hat zwei Söhne, sechs Enkelsöhne und zwei Urenkel.